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Innergemeinschaftlichen Erwerb

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Innergemeinschaftlicher Erwerb: Die wichtigsten Fakten im Überblick

Bei Warentransfers zwischen Unternehmern in unterschiedlichen EU-Staaten tritt seit vielen Jahren der innergemeinschaftliche Erwerb an die Stelle der Einfuhrumsatzsteuer. In diesem Fall ist eine Erwerbsbesteuerung vorzunehmen. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Geschäfte betroffen sind, auf was beim Vorsteuerabzug zu achten ist und wer den Erwerb versteuern muss.

Inhaltsverzeichnis

Die wichtigsten Punkte vorab:

Definition

Was ist innergemeinschaftlicher Erwerb?

Gelangt ein Gegenstand im Rahmen einer Lieferung aus einem EU-Staat an einen Erwerber in einem anderen EU-Staat, liegt innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Von dieser Regelung sind die in § 1 Abs. 3 UStG beschriebenen Gebiete (z. B. Freihäfen) ebenfalls umfasst. Der innergemeinschaftliche Erwerb ist ein umsatzsteuerliches Instrument und der Gegenpart zur innergemeinschaftlichen Lieferung. Er findet in allen EU-Mitgliedsstaaten Anwendung und ersetzt seit 01. Januar 1993 das bis dahin geltende Zollrecht. Innergemeinschaftlicher Erwerb ist als Umsatzsteuer anzusehen, die Grundlagen sind in § 1a Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt.

Definition Einfuhrumsatzsteuer

Wann liegt innergemeinschaftlicher Erwerb vor?

Allgemein sieht das Umsatzsteuergesetz vor, dass eine Lieferung dort als ausgeführt gilt, wo die Beförderung der Ware beginnt (siehe § 3 Abs. 6 UStG). Von dieser Regelung gibt es ein paar Ausnahmen, zu denen auch innergemeinschaftlicher Erwerb als Umsatzsteuer zählt. Bei Wareneinfuhr aus einem anderen EU-Land fällt seit dem Wegfall der Zollkontrollen an Binnengrenzen keine Einfuhrumsatzsteuer an, stattdessen ergibt sich der Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs (siehe § 1 Absatz 1 Nr. 5 UStG, § 1a UStG).

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Im Fokus stehen in erster Linie bewegliche Gegenstände und somit Lieferverträge, die von den Vertragspartnern zum Zweck einer Versendungs- bzw. Beförderungslieferung abgeschlossen werden. Damit der vom Gesetzgeber definierte Tatbestand des innergemeinschaftlichen Erwerbs erfüllt ist, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

– Es erfolgt eine Lieferung eines körperlichen Gegenstands gegen Entgelt, die der Lieferant als Unternehmer ausführt

– Die Lieferung erfolgt aus einem EU-Staat an einen Erwerber in einem anderen EU-Staat. Dies umfasst ebenfalls die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete und gilt auch, wenn der Lieferant den betreffenden Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat.

– Der Erwerber ist Unternehmer und erwirbt die Ware für das eigene Unternehmen oder es handelt sich um eine juristische Person, die kein Unternehmer ist oder die Ware nicht für das eigene Unternehmen kauft.

Die innergemeinschaftliche Lieferung gegen Entgelt ist eine wesentliche Voraussetzung, damit sich der betreffende Vorgang als innergemeinschaftlicher Erwerb buchen lässt. Bei Ursprungsland und Bestimmungsland muss es sich somit um zwei unterschiedliche EU-Mitgliedsstaaten handeln (z. B. Ursprungsland = Frankreich und Bestimmungsland = Deutschland).

Weiterhin liegt innergemeinschaftlicher Erwerb vor, wenn ein Lieferant einen Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet einführt. Folglich handelt es sich bei jeder innerhalb der EU zum freien Verkehr abgefertigten Ware um innergemeinschaftlichen Erwerb, sofern die betreffenden Gegenstände mittels Lieferung oder im Rahmen eines unternehmensinternen Verbringens von einem EU-Staat in ein anderes EU-Mitgliedsland gelangen. Der Beginn im Drittlandgebiet ist bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Fall unschädlich, da der betreffende Gegenstand mit der Einfuhr zu Gemeinschaftsware wird.

Kann ich Ihnen bei dem innergemeinschaftlichen Erwerb behilflich sein?

Dirk Wendl

Was gilt nicht als innergemeinschaftlicher Erwerb?

Startet der Warentransport in einem Drittland und gelangt an einen Erwerber mit Sitz in einem EU-Staat, handelt es sich nicht um innergemeinschaftlichen Erwerb. Somit ergibt sich keine Erwerbssteuerpflicht, es wird lediglich die Einfuhr im Inland besteuert. Auch wenn der Gegenstand im Zuge des Transports mehrere EU-Grenzen passiert, sind die wesentlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Gelangt die Ware im Zuge einer Durchfuhr durch einen anderen EU-Staat aus einem Drittland in einen EU-Mitgliedsstaat und wird erst dort zum freien Verkehr deklariert, liegt kein innergemeinschaftlicher Erwerb vor (siehe Abschn. 1a.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE).

Ausnahmen & Beschränkung des Personenkreises

Sind die Voraussetzungen erfüllt, unterliegen Unternehmer gemäß § 2 UStG beim Bezug von Waren aus anderen EU-Staaten der Erwerbssteuerpflicht. Der Erwerber muss Vollkaufmann sein. Folgende auch als Halbunternehmer bezeichnete Personen sind eigentlich nicht erwerbssteuerpflichtig:

 

Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen und somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind

Kleinunternehmer gemäß § 19 Absatz 1 UStG

Land- oder Forstwirte, die nach § 24 Abs. 1-3 UStG pauschal versteuern

juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder Waren für ihren nichtunternehmerischen Bereich beziehen (z. B. öffentliche Hand oder Vereine zur Erfüllung satzungsgemäßer Aufgaben)

 

Mit Einführung einer Erwerbsschwelle hat der Gesetzgeber auch diesem Personenkreis ermöglicht, Warenbezug aus einem anderen EU-Staat als innergemeinschaftlicher Erwerb zu buchen. Dabei sind in Deutschland folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

 

– Im vorherigen Kalenderjahr wurde die Erwerbsschwelle von 12.500 Euro überschritten bzw. im laufenden Jahr ist voraussichtlich mit einer Überschreitung zu rechnen.

– Der Unternehmer hat nicht mittels Erklärung zur Erwerbssteuerpflicht optiert (diese Erklärung ist für mindestens zwei Jahre bindend).

 

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass seit 2011 auf Basis des Jahressteuergesetzes 2010 (siehe JStG 2010 vom 08. Dezember 2010, BGB I, Nr. 62, S. 1768 ff.) die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gegenüber Lieferanten als Verzicht auf die Erwerbsschwellenregelung anzusehen ist. Da die genannten Personen umsatzsteuerlich unter bestimmten Voraussetzungen als klassische Unternehmer behandelt werden, ist für diesen Personenkreis auch die Bezeichnung Halbunternehmer üblich.

Betrifft innergemeinschaftlicher Erwerb auch Privatpersonen?

Privatpersonen sind von den Regelungen zum innergemeinschaftlichen Erwerb in der Regel nicht betroffen, eine Ausnahme bildet jedoch der Erwerb von Neufahrzeugen. In diesem Fall erfolgt die Behandlung als innergemeinschaftlicher Erwerb unabhängig vom Status des Erwerbers.

Betroffen sind:

Damit das betreffende Fahrzeug als neu gilt, sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen:

Wer zahlt bei innergemeinschaftlichem Erwerb die Umsatzsteuer?

Sind die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, versteuert der Empfänger die Lieferung im Bestimmungsland, gleichzeitig wird der Lieferant im anderen EU-Staat von der Steuer befreit (Bestimmungslandprinzip). Liegt innergemeinschaftlicher Erwerb vor, ist die Umsatzsteuer somit vom Erwerber zu entrichten.

Wie ist innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern?

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 6 UStG entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung, spätestens jedoch zum Endes des auf den Erwerb folgenden Kalendermonats. Als Steuerschuldner gilt der Leistungsempfänger, er muss die Steuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung angeben.

 

Innergemeinschaftlicher Erwerb unterliegt grundsätzlich dem Steuersatz, der auch bei Lieferung von Ware im Inland gilt, in Deutschland gilt somit ein Steuersatz von 19 % bzw. 7 %. In die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Steuer bei innergemeinschaftlichem Erwerb fließen gemäß § 10 Abs. 1 UStG alle Aufwendungen ein, die der Erwerber in den Erhalt der Leistung investiert hat. Von diesen Aufwendungen im Bereich innergemeinschaftlicher Erwerb ist die Umsatzsteuer abzuziehen. Neben der Hauptleistung sind auch Nebenleistungen wie die vom Lieferanten in Rechnung gestellten Transportkosten in die Ermittlung der Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Grundlage für die Erwerbsbesteuerung ist grundsätzlich das vereinbarte Entgelt bzw. das vereinnahmte Entgelt (bei Ist-Versteuerung).

Kann bei innergemeinschaftlichem Erwerb Vorsteuerabzug erfolgen?

Gemäß den allgemeinen Vorgaben in § 15 Abs. 1 S.1 Nr. 3 UStG können Unternehmer die Steuer auf den Erwerb als Vorsteuer abziehen. Der Abzug erfolgt im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung, in der Steuerpflichtige den innergemeinschaftlichen Erwerb deklarieren. Auch wenn sich Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug aufheben, ist innergemeinschaftlicher Erwerb zu buchen und die Positionen korrekt zu erfassen.

 

Hat der Erwerber eine deutsche USt-IdNr. angegeben und innergemeinschaftlichen Erwerb im Inland versteuert, kann es im Nachhinein dennoch zu Problemen kommen. Zeigt sich im Nachhinein, dass das Ende der betreffenden Warenbewegung in einem anderen EU-Staat zu lokalisieren ist, steht dem Unternehmer ein Vorsteuerabzug nicht zu (siehe Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 07. Juli 2011). Dieser Ausschluss des Vorsteuerabzugs wandelt die Erwerbssteuer in eine Definitivbelastung, die erst entfällt, wenn die korrekte Besteuerung im EU-Mitgliedsstaat erfolgt ist, in dem sich das Ende der Lieferung befindet.

Wann ist innergemeinschaftlicher Erwerb steuerfrei?

Die umsatzsteuerrechtliche Abwicklung bei innergemeinschaftlichem Erwerb ist weitgehend an die Behandlung von Waren aus Drittländern anzugleichen. Dementsprechend sind in diesem Bereich geltende Steuerbefreiungen auch auf den innergemeinschaftlichen Erwerb anzuwenden. Laut den Regelungen in § 4b UStG ist innergemeinschaftlicher Erwerb in bestimmten Fällen steuerfrei. Innergemeinschaftlicher Erwerb ist von Umsatzsteuer beispielsweise bei folgenden Gegenständen steuerfrei:

 

– Wertpapiere

– für Zentralbanken bestimmtes Gold

– gesetzliche Zahlungsmittel im Inland zum aufgedruckten Wert sowie gesetzliche Zahlungsmittel, die nicht aufgrund von Sammlerwert oder des Metallgehalts umgesetzt wurden

– Luftfahrzeuge (incl. gilt auch für deren Ersatzteile und Ausrüstungsgegenstände), wenn sie zum größten Teil im grenzüberschreitenden Verkehr im Einsatz sind

– menschliche Organen, menschliches Blut und Muttermilch

– Gegenstände, für die bei Einfuhren aus einem Drittland Steuerfreiheit besteht

– Gegenstände, die zu einem späteren Zeitpunkt steuerfrei in einen anderen EU-Staat geliefert oder in einen Drittstaat ausgeführt werden

 

Ein Beispiel für den letztgenannten Fall:

Ein Unternehmer führt Waren aus einem Drittland nach Deutschland ein und verkauft sie später innergemeinschaftlich an ein Unternehmen in Frankreich. Die Gegenstände sind für den Lieferanten in Deutschland zwar steuerbar, bleiben aufgrund der Regelungen in § 4b Nr. 4 UStG jedoch steuerfrei.

Was ist innergemeinschaftliches Verbringen?

Innergemeinschaftliches Verbringen ist eine innerbetriebliche Warenbewegung in einen anderen EU-Staat. Liefert ein Unternehmer einen Gegenstand zur dauerhaften Eigenverfügung beispielsweise aus einem Lager in Frankreich zum Hauptsitz in Deutschland, führt dieser Vorgang dazu, dass ein fingierter innergemeinschaftlicher Erwerb zu buchen ist. Im Ausgangsstaat Frankreich gilt der Unternehmer als Lieferant, der Vorgang gilt hier als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Folglich findet er sich in Deutschland in der Rolle des Erwerbers wieder, hier gilt die Lieferung als innergemeinschaftlicher Erwerb und unterliegt der Umsatzsteuer. Voraussetzung für das innergemeinschaftliche Verbringen ist, dass der betreffende Gegenstand im Ausgangsland bereits dem Unternehmen zugeordnet ist. Zudem muss der Unternehmer nach dem Ende der Beförderung weiter die Verfügungsmacht über den Gegenstand ausüben.

 

Eine nicht nur vorübergehende Verwendung des Gegenstands liegt auch vor, wenn der Unternehmer die Ware in das Bestimmungsland verbringt (z. B. in ein Auslieferungs- oder Konsignationslager), um sie zu einem späteren Zeitpunkt weiter zu liefern. Bei diesem Vorgang gibt es noch keinen festen Abnehmer, somit sind Vorgänge dieser Art nicht mit einem klassischen Erwerb mit feststehendem Abnehmer vergleichbar. Es liegt ein innergemeinschaftliches Verbringen im Sinne von § 1a Abs. 2 UStG vor, die Lieferung an den Abnehmer erfolgt erst später mit der Warenentnahme aus dem Lager.

 

Damit eine Steuerbefreiung bei innergemeinschaftlichem Verbringen erfolgt, muss der Vorgang in einem anderen EU-Staat der Erwerbsbesteuerung unterliegen. Weiterhin ist erforderlich, dass der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Abgabe einer zusammenfassenden Meldung gemäß § 18a UStG nachkommt und diese korrekt und vollständig einreicht. Bei verspäteter Abgabe, Unvollständigkeit oder fehlerhaften Angaben entfällt die Steuerfreiheit (siehe Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL).

Fazit

Die zusammenfassende Meldung gibt der Finanzbehörde die Möglichkeit, Angaben von Lieferanten und Erwerbern genau zu überprüfen und abzuwägen, ob ein Abnehmer tatsächlich der Erwerbssteuer unterliegt. Ein weiterer Aspekt ist die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung. Da das Thema innergemeinschaftlicher Erwerb äußerst komplex ist, sollten Sie grundsätzlich die Hilfe eines versierten Steuerexperten in Anspruch nehmen. Die Wendl & Köhler Steuerberatungsgesellschaft mbH ist mit den hohen Anforderungen bestens vertraut und berät Sie gerne zum innergemeinschaftlichen Erwerb oder zu anderen Steuerthemen.

Autor: Dirk Wendl

Steuerberater

Dirk Wendl ist schon sein gesamtes Berufsleben im Bereich Steuern tätig. Nach einer Ausbildung als Steuerfachangestellter und einer Fortbildung zum Bilanzbuchhalter absolvierte er nach einer weiteren umfangreichen Ausbildung 2006 die Prüfung als Steuerfachwirt und Steuerberater. Seit 2015 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Wendl & Köhler Steuerberatungsgesellschaft in Köln. Dirk Wendl hat sich seitdem vor allem als Spezialist für Internationales Steuerrecht, E-Commerce und als Digitalisierungsexperte einen deutschlandweit guten Ruf erarbeitet.

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